Ehrverletzende Äußerungen des Dienstherrn

Wirksam vorgehen

Plötzlich steht etwas im Raum, was Folgen haben wird – auf mich als Menschen, als Beschäftigten. Die Rede ist von disziplinarrechtlichen Ermittlungen, begleitet von womöglich ehrverletzenden Äußerungen des Dienstherrn. DP-Autor und Rechtsanwalt Sebastian Baunack klärt auf, wie Betroffenen sich wirksam wehren können.

Sebastian Baunack

Beamtinnen und Beamte können mit öffentlichen, ehrverletzenden Äußerungen des Dienstherrn konfrontiert sein. Häufig stehen solche Äußerungen im Zusammenhang mit disziplinarrechtlichen Ermittlungen. Auch wenn das Disziplinarverfahren eingestellt oder nur eine geringfügige Maßnahme verhängt wird, wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts schwer und kann eine stigmatisierende Wirkung entfalten. Daher soll besprochen werden, wie sich Beamtinnen und Beamten gegen solche öffentlichen Äußerungen des Dienstherrn zur Wehr setzen können.

Zuerst ist zu beachten, dass die maßgeblichen Inhalte des Dienstverhältnisses, insbesondere auch der Gegenstand interner Ermittlungen, unter das Personalaktenrecht fallen. Das Personalaktenrecht ist für Landesbeamtinnen und -beamte in Paragraf 50 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und den landesgesetzlichen Regelungen geregelt, für Bundesbeamtinnen und -beamte in den Paragrafen 106 ff. Bundesbeamtengesetz (BBG). Für alle Beschäftigten ist eine Personalakte zu führen. Sie dienen der dem Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG), Paragraf 9 BeamtStG) verpflichteten Personalplanung und -wirtschaft und ermöglichen einen möglichst vollständigen Überblick über die Entwicklung des Dienstverhältnisses. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Disziplinarakte die Voraussetzungen des materiellen Personalaktenbegriffs erfüllt (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) v. 15.10.1970 – BVerwG 2 C 36.66). Solange das Disziplinarverfahren im Gange ist, wird die Disziplinarakte formell gesondert geführt (BVerwG v. 8.5.2006 – 1 DB 1/06 –). Sie unterliegt jedoch zu jedem Zeitpunkt der besonderen Vertraulichkeit des Paragrafen 50 S. 3 BeamtStG beziehungsweise Paragraf 106 Abs. 1 S. 1 BBG. Deshalb dürfen Auskünfte an Dritte, also an andere Beschäftigte, andere Politikerinnen, Politikern oder die Presse, ohne Einwilligung der betroffenen Dienstkraft nur gegeben werden, sofern die besonderen Voraussetzungen des Paragrafen 111 BBG beziehungsweise der entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen erfüllt sind. Zulässig sind solche Auskünfte nur, wenn dies zwingend erforderlich ist, um eine erhebliche Beeinträchtigung des Gemeinwohls abzuwehren oder höherwertige Interessen Dritter zu schützen. Das BVerwG hat mit seinem Urteil v. 13.10.2020 – 2 C 41/198 – mit Hinblick auf ein Akteneinsichtsrecht der Presse in die Disziplinarakte entschieden, dass ein solcher presserechtlicher Auskunftsanspruch zwar grundsätzlich in Betracht kommen kann, aber nur, solange die disziplinarrechtlichen Tilgungsfristen nicht abgelaufen sind.

Wie ist also damit umzugehen, wenn der Dienstherr trotz der Vertraulichkeit der disziplinarrechtlichen Vorwürfe Dritte informieren möchte oder dies schon getan hat? Hier ergeben sich für die Beschäftigten Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche. Die Rechtsprechung hat diese Ansprüche aus Paragraf 1004, 242 BGB analog sowie aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht aus Paragraf 45 BeamtStG/ Paragraf 78 BBG hergeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 – 2 C 10/93). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist der Dienstherr nach Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet, die betroffene Dienstkraft vor der öffentlichen Äußerung zu informieren. Der Dienstkraft steht es dann offen, verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gegen die öffentliche Äußerung zu beantragen. In diesem Verfahren kann sie rügen, dass die öffentliche Äußerung des Dienstherrn gegen das Personalaktengeheimnis und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen aus Art. 6 Abs. 1 e und f der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) verstößt und damit das Persönlichkeitsrecht der Dienstkraft aus Art. 2 GG in Verbindung mit Art. 1 GG verletzt.

Ein solcher gerichtlicher Antrag kann darauf gestützt werden, dass die Beschäftigten einen Anspruch aus Paragraf 45 BeamtStG/ Paragraf 78 BBG darauf haben, dass der Dienstherr ihr Ansehen in der Öffentlichkeit nicht schädigt, sondern sich schützend vor die Beamtin oder den Beamten stellt. Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verbietet dem Dienstherrn, die Beamtin oder den Beamten durch Kritik an seiner Amtsführung gegenüber Dritten ohne rechtfertigenden Grund bloßzustellen. Das gilt sowohl für nachteilige Tatsachenbehauptungen als auch für missbilligende Werturteile. Dass die Beamtin oder der Beamte namentlich genannt wird, ist nicht erforderlich (BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 – 2 C 10/93 –). Der Dienstherr muss die Beamtin oder den Beamten auch vor ungerechtfertigten Angriffen, die keine strafbaren Handlungen darstellen, zum Beispiel vor unwahren Medienberichten, schützen, unter Umständen durch Gegendarstellung (BVerwGE 99, 56) oder eine Ehrenerklärung (Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster NVwZ-RR 2013, 727). Dies gilt insbesondere dann, wenn diese ehrverletzend sind (vgl. hierzu Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart v. 24.1.2024 – 4 U 129/23). Die unbewiesene Behauptung, die Dienstkraft habe vorsätzlich rechtswidrig gehandelt, ist üblicherweise ehrenrührig und geeignet, ihr Bild in der Öffentlichkeit negativ zu beeinflussen (OVG HB v. 10.09.2018 – 2 B 213/18 –).

Aus diesen Gründen müssen es Beamtinnen und Beamte nicht hinnehmen, wenn der Dienstherr unbewiesene öffentliche ehrenrührige Aussagen über sie trifft. Sie können zudem verlangen, dass sich der Dienstherr bei öffentlichen Vorwürfen durch Dritte, etwa die Presse, schützend vor sie stellt. Hierzu ist es erforderlich, dass die Beschäftigten rechtzeitig informiert werden, bevor eine öffentliche Äußerung über sie getätigt wird. Es ist sinnvoll, wenn sich die Beschäftigten dann umgehend rechtlich beraten lassen und prüfen, ob sie gegen die Äußerung mit einem gerichtlichen Eilantrag vorgehen möchten. Sofern die Äußerung bereits erfolgt ist, können sie beantragen, dass der Dienstherr eine Ehrerklärung abgibt. So lässt sich der stigmatisierenden Wirkung von ehrverletzen den Äußerungen des Dienstherrn oder der Vorgesetzten wirksam begegnen.

Foto: GdP

Rechtsanwalt Sebastian Baunack
ist in Berlin als Fachanwalt unter anderem tätig im Arbeitsrecht mit den Schwerpunkten Öffentliches Dienstrecht, Tarifrecht des Öffentlichen Dienstes sowie Personalvertretungsrecht in Bund und Ländern. Besonders spezialisiert ist er im Disziplinarrecht der Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten sowie Richterinnen und Richtern. Baunack doziert zudem Disziplinarrecht an der Landesakademie für öffentliche Verwaltung des Landes Brandenburg.